Der Übergang von Kind zu Jugendlichem und von Jugendlichem zum Erwachsenwerden (ich bezeichne es lieber als ein Werden als ein Sein) ist einer der großen unaufschiebbaren Veränderungsprozesse in unserem Menschsein.
Von Gabriele Maria Höfinger
In vielen Kulturen der Vergangenheit und Gegenwart, die auf einem zyklischen Weltbild basieren, sind Übergänge und dazugehörige Rituale fixer Teil des menschlichen Zyklus. Geburt und Tod und alles, was dazwischen stattfindet, sind Teil des Zyklus und finden bewusst Beachtung und werden gefeiert.
Oft werden diese Rituale geschlechterspezifisch unterschiedlich gestaltet, die erste Mens – die Menarche gefeiert, die Frauen übernehmen die Mädchen, die Burschen werden den Männern übergeben. Oft ist es eine Auszeit in Abgeschiedenheit von der Gemeinschaft, die diese Rituale beinhalten.
Zu einem Übergangsritual gehören grundsätzlich drei Phasen:
Loslösung/Trennung/Severance:
Dieser erste Schritt beinhaltet immer ein Abschiednehmen. Abschied von der alten Lebensphase, von Vertrautem, von der Gemeinschaft, von einer gewohnten Identität.
In dieser Phase erarbeiten wir auch konkret, was die Herausforderungen sind, vor denen die Jugendlichen/jungen Erwachsenen auch individuell stehen, die Drachen und Monster kommen zu Wort. Das können zB sein: die Trennung der Eltern bzw. Spannungen in der Familie, intensive Freundschaften, die Zugehörigkeit zur PeerGroup, Leistungsdruck in der Schule, Mut ehrlich zu sprechen, für sich selbst einzustehen, die Ungewissheit der Zukunft, … Angst, Trauer und Wut gehören dazu und bekommen Raum und Namen.
Zu wissen, was die Herausforderung ist und so auch die Veränderung konkret zu machen braucht es als Basis für den Mut zur nächsten Phase.
Zwischenwelt/Inbetween/Liminal Space:
Bei jedem Übergang gibt es den Raum des Nichtwissens, der Auflösung und Metamorphose. Das Bild der Raupe und des Schmetterlings und der faszinierenden Imagozellen, die diese Transformation begleiten, ist eines der ältesten Symbole dafür.
Dieser Raum kann eine Zeit in Abgeschiedenheit in der Natur sein, eine Nacht oder ein Tag und eine Nacht, bei den jungen Erwachsenen sind es drei Tage und Nächte, die sie fastend alleine für sich in der Natur verbringen. Die nichtmenschliche Gemeinschaft da draußen unterstützt und spiegelt den jungen Menschen im Übergang und sie/er erfährt sich eingebettet im „Größeren-als-wir-Menschen“.
Diese Auszeit wird unterstützt mit einer Absicht, für die es sich lohnt, diese Abgeschiedenheit auszuhalten.
„Ich bin ein Mann, der sich selbst liebt und seinen Weg kennt … Ich bin eine junge Frau, die mutig und voller Lebensfreude ihre Kreativität lebt … Ich bin ein Mensch, der den Mut hat, in Liebe und in Beziehung zu leben … Ich bin ein strahlendes Wesen …“ (in Zeiten von Gender-Fluidität ändern sich gerade oft die Selbstzuschreibungen kreativ).
Rückkehr/Integration/Incorporation:
Die Rückkehr aus der Unterwelt (die Heldenreise des Mythenforschers Joseph Campbell dient auch als wunderbare Zeichnung dieser Phasen: Abstieg der Heldin/des Helden in die Unterwelt, Bestehen der Prüfung, Rückkehr) als Neue/Neuer, das Würdigen der bestandenen „Prüfung“ der eigenen Absicht, das sich Erfahren als handlungs- und durchhaltefähig.
Die Rückkehr ist immer auch die Rückkehr in die Gemeinschaft, das von den „Ältesten“ und der Gemeinschaft gefeiert Werden, im Spiegel der Ältesten und anderen sein eigenes neues „Gesicht“ sehen, die Einzigartigkeit und die Gaben zurückgespielt bekommen.
Die Initiandin/der Initiand wird gefeiert, auch indem sie/er gesehen und gewürdigt wird, auch indem genannt wird, wie wichtig sie/er und das, was sie/er mitbringt, für die Gemeinschaft ist.
Bei der Mädchenzeit als rotes Fest, sonst oft in Form einer RitualPerformance, wo noch einmal die Erfahrung kreativ verkörpert und geteilt wird.
Unterstützung bei der Rückkehr nachhause kommt oft von der Gruppe, auch in nachfolgenden Treffen und Wiedersehen.
Meine Faszination für diese Art von Ritual hat mich selbst zur Visionssuche in der Shambhala Wilderness Schule und zur School of Lost Borders geführt und seitdem forsche und arbeite ich im Feld der „Rites of Passage“.