Um die Erderhitzung nicht auf ein völlig katastrophales Niveau zu bringen, ist das Ende des Verbrennens von fossiler Energie und die Wende hin zu erneuerbarer Energiegewinnung unausweichlich. Und zwar so rasch wie möglich. Was bei allem Enthusiasmus für Windparks, PV-Anlangen und Wasserkraft allerdings nicht vergessen werden darf, ist, dass dies nicht auf Kosten von Natur und Landschaft gehen darf.
Von Reinhard Kraus
Der Umbau auf nachhaltige Energieversorgungssysteme findet in Zeiten von zunehmenden Dürreperioden, Hochwasserkatastrophen und immer neuen Rekorden bei den Temperaturwerten spät aber doch einen breiten politischen Konsens. Die negativen Auswirkungen dieser Energieformen sollten dabei aber in die Gesamtrechnung mitaufgenommen werden. Denn die Klimakrise hängt auch eng mit der Biodiversitätskrise zusammen. Die Überwindung der einen darf nicht auf Kosten der anderen erfolgen. Resilienz – also die Fähigkeit, Krisen zu bewältigen – ist am besten durch Vielfalt zu gewährleisten. Der Verlust an Lebensräumen ist oft unwiederbringlich – ausgestorbene Arten sind nicht erneuerbar!
Betrachten wir also die verschiedenen Formen der erneuerbaren Energiegewinnung hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf Natur und Landschaft.
Wasserkraft
Im Alpenland Österreich ist das energetische Potential der Wasserkraft von großer Bedeutung. Entsprechend hoch ist der Anteil an der Stromversorgung mit um die 60 %. Ein Großteil der für die Wasserkraftnutzung geeigneten Flüsse wurde in Österreich schon entsprechend ausgebaut – der ökologische Zustand der Fließgewässer ist u. a. aufgrund dieser Tatsache in vielen Fällen schlecht. Die Donau, als Beispiel, bildet in Österreich eine durchgehende Stauwerkskette unter Ausnahme der Wachau und des Nationalparks Donauauen unterhalb von Wien. Und der Erhalt dieser beiden freien Fließstrecken musste hart erkämpft werden. Kraftwerke und ihre Stauräume sind problematisch für viele Fischarten und das gesamte Ökosystem. Die negativen ökologischen Auswirkungen (wie Barrierewirkungen und Lebensraumverluste) stehen bei vielen in Planung befindlichen Wasserkraftwerken oft in keinem Verhältnis zu ihrem energetischen Nutzen. Die wenigen noch frei fließenden naturnahen Fließgewässer haben höchste Schutzwürdigkeit und sollten vor weiterem Ausbau dringend verschont werden.
Biogene Energien
Auch biogene Energien haben in Österreich einen großen Anteil an der Erzeugung von erneuerbaren Energien. Hierunter fallen vor allem biogene Brenn- und Treibstoffe (z. B. Holz) zur Erzeugung von Strom und Wärme, aber auch gasförmige (Biogas) und flüssige (z. B. Biodiesel) Energien aus Material biologischen Ursprungs. Auch die Nutzung von Biomasse muss differenziert betrachtet werden. Holz ist erneuerbar, da es wieder nachwächst. Die Forstwirtschaft prägte dafür den Begriff der Nachhaltigkeit. Wie nachhaltig die Forstwirtschaft in vielen Fällen wirklich ist, zeigt die enorme Borkenkäferproblematik mit den steigenden Temperaturen. Riesige Waldflächen – beispielsweise in den wärmebegünstigten und trockenen östlichen Randbereichen des Waldviertels – sind dem Käfer in den letzten Jahren zum Opfer gefallen. Es handelte sich praktisch ausschließlich um artenarme Monokulturen von Fichten – einer Baumart, die von Natur aus im Hochgebirge zu Hause ist. Hier hat sogar die wirtschaftliche Nachhaltigkeit – und um das geht es vielen Forstwirten hauptsächlich – ein Ende. Man kann nur hoffen, dass daraus die richtigen Lehren gezogen werden. Der Anbau von Monokulturen mit ausländischen Arten – wie der jetzt überaus beliebten Douglasie – wird es nicht sein.
Die Holznutzung muss dringend auf die Wiederherstellung und den Erhalt der Artenvielfalt umgestellt werden. Naturnahe Wälder gehören in deutlichem Ausmaß außer Nutzung gestellt und Wirtschaftswälder gehören ökologisch nachhaltig bewirtschaftet und brauchen vernetzte Naturwaldinseln mit Alt- und Totholz um Lebensräume für viele Arten zu erhalten oder wieder neu zu schaffen. Alte Wälder spielen zudem eine große Rolle als CO2-Senke. Altbäume können jahrhundertealt werden und sind nicht einfach wiederherstellbar. Die Nutzung solcher Bestände, als Hackschnitzel oder Holzpellets, widerspricht dem Schutz der Biodiversität massiv. Ebenso sind Mais-, Pappel- und andere Monokulturen, die zur Energiegewinnung auf Ackerflächen angebaut werden, keinesfalls Teil einer ökologisch nachhaltigen Landbewirtschaftung.
Windkraft
Die Energie aus Windkraftanlagen hat in Österreich einen Anteil von etwa 10 % an der Stromerzeugung – wobei sich die Errichtung von Windrädern bislang hauptsächlich auf Niederösterreich und das Burgenland konzentriert hat. Flugfähige Tierarten, insbesondere Vögel und Fledermäuse können durch Kollisionen mit den Rotorblättern der Windräder und den Windschlag getötet werden. Deshalb werden Ausschluss- bzw. Eignungszonen für den Bau von Windrädern erstellt und bei der Bewilligung die Auswirkungen auf die Vogelwelt untersucht. Festgelegte Tabuflächen wie z. B. Naturschutzgebiete oder Nationalparks sowie Hauptrouten von Zugvögeln und Fledermäusen können zum Schutz beitragen, auch festgelegte Abschaltzeiten, angepasste Höhen und Abstände zu etablierten Horsten sind hilfreich beim Vogelschutz. Eine konsequente Rücksichtnahme auf Artenschutzerfordernisse macht die Windkraftnutzung sicherlich zu einer der wichtigsten Ressourcen erneuerbarer Energiegewinnung.
Photovoltaik
Auch der Photovoltaik (PV) wird zurecht ein großes Potential als Teil der nachhaltigen Energieversorgung beschieden. Eine überaus erfolgreiche Nutzung dieser Energie wird uns von der Pflanzenwelt Jahr für Jahr vorgezeigt. Schließlich kommt fast die gesamte Energie auf unserem Planeten von der Sonne. PV-Anlagen finden sich mittlerweile an vielen Privatdächern und der Bau von PV-Freiflächenanlagen wird forciert. Aber auch der Ausbau der Sonnenenergienutzung muss die Interessen des Natur- und Landschaftsschutzes berücksichtigen. Der Bau von Freiflächenanlagen – also etwa im Grünland – sollte in jedem Fall hinsichtlich seiner Auswirkungen auf die naturräumlichen Gegebenheiten geprüft werden. In der Regel trifft es zuerst die wirtschaftlich geringwertigen Flächen, die allerdings aus Naturschutzsicht oft sehr bedeutend sind. Demgegenüber stünde ein Riesenausmaß an Flächen im besiedelten Raum zur Verfügung, etwa an Gebäuden und Flächen in Gewerbe- und Industriegebieten oder an Verkehrsflächen. Naturschutzgebiete und Flächen mit gefährdeten Arten und Biotopen sollten jedenfalls von der Standortwahl ausgeschlossen werden. Auf artenarmen Acker- oder Grünland-Standorten dagegen besteht durch die richtige Gestaltung der PV-Anlagen und extensive Nutzung bzw. Pflege (etwa durch Schafbeweidung) sogar eine Chance zur Erhöhung der Biodiversität.
Diese Darstellung des Konfliktpotentials beim Ausbau der erneuerbaren Energiegewinnung soll nicht missverstanden werden. Wie eingangs erwähnt, ist die Eindämmung der Erderhitzung von größter Wichtigkeit – etwa auch wegen der massiven nachteiligen Auswirkungen auf die Biodiversität. Kurzfristig wird es wohl auch zu Kompromissen kommen müssen. Aber die Naturverträglichkeit als politisches und planerisches Leitbild sollte dringend als integraler Bestandteil der gesamten Energiewende berücksichtigt werden.
Ganz wesentlich wird allerdings eine breite gesellschaftliche und vor allem wirtschaftliche Transformation sein, weg vom Wachstumszwang und übermäßigen Ressourcenverbrauch. Sämtliche Industrie- und landwirtschaftliche Produktionsformen, die Art des Verkehrs, aber auch viele Entscheidungen in unserem persönlichen Lebensumfeld müssen in Zukunft auf Basis ihrer Auswirkungen auf unsere Umwelt geprüft werden. Dazu ist noch viel Veränderung notwendig und meine Skepsis nimmt mit jeder verpassten Chance auf den diversen Klima- und Biodiversitäts-Konferenzen und bei den politischen Entscheidungen auf EU und Österreich-Ebene zu. Aber wenn wir nicht die Einschränkungen, sondern den Wohlstandsgewinn, der diese Änderungen begleiten wird, in den Fokus nehmen, dann schaut die Welt wieder freundlicher aus. Man stelle sich nur eine Stadt ohne motorisierten Individualverkehr vor, mit baumbestandenen Straßen, die hauptsächlich für Fußgänger, Radfahrer und Vögel da sind. Und den gesamten Komfortgewinn bezüglich Lärmes und Abgasen, geschweige denn vom Rückgang des Drangs zur Stadtflucht an den Wochenenden und in den Ferien und überhaupt … Dazu bräuchte es halt mutige Politikerinnen und Politiker, gestützt durch eine aktive transformorientierte Zivilgesellschaft