TED-Talk von Teresa Distelberger
Heute stehe ich hier auf der Bühne. Sie sehen mich, Sie hören mich – und vielleicht erinnern Sie sich morgen an etwas, das ich gesagt habe. Alles scheint so, als würde ich diesen Vortrag erschaffen. Andererseits würde ich all diese Worte nicht sprechen, wenn Sie nicht hier wären um mir zuzuhören. Warum auch sollte ich sprechen, wenn keiner da wäre, um meine Botschaft zu empfangen.
Auch wäre ich nicht hier ohne die Menschen, die Ihre Stühle aufgestellt haben, oder jene, die diese Konferenz und das ganze Rundherum organisiert haben, sodass ich nun mit Ihnen diesen Raum teilen kann, und diesen Moment.
Und sogar davor: Ohne die Einladung der OrganisatorInnen hätte ich gar nicht erst begonnen, meine Gedanken für diesen TED-Talk zu ordnen, hätte all meine Ideen und all meine Zweifel nicht wochenlang mit mir herumgetragen, um meine Einsichten schließlich in dieser Art auf den Punkt zu bringen.
Dass ich es bis hierher geschafft habe, ist auch einer langen Liste an wohlgesinnten FreundInnen und weisen RatgeberInnen zu verdanken. Ohne ihre Unterstützung und die Geduld, mit der sie sich all meine vagen Ideen angehört und mir geholfen haben, diese zu sortieren, stünde ich heute nicht hier.
Leider vergessen wir das meist.
All jene Menschen, Sie alle, die Sie mir gerade zuhören, und ich – wir erschaffen diesen Moment gemeinsam, we are “co-creating” this moment.
Es fasziniert mich immer wieder, dass es eben dieser zwei Elemente bedarf, wann immer etwas entsteht: Eines, das den Raum dafür zur Verfügung stellt, unterstützend und nährend, und ein anderes, das sich in diesem Raum ausdrücken kann. Die meisten wirklich tollen Dinge können wir alleine gar nicht schaffen.
Ich kenne das sehr gut vom Filme machen. Vor einiger Zeit habe ich oft den Film “Die Zukunft ist besser als ihr Ruf” öffentlich repräsentiert. Es ist ein kollektiver Dokumentarfilm über Menschen, die sich für soziale Veränderung engagieren, und dahinter steht ein sehr komplexer gemeinschaftlicher Entstehungs-Prozess (a co-creational process). Es gab mehrere RegisseurInnen – ich selbst war eine davon – und auch der Produzent und der Dramaturg hatten sehr wichtige kreative Rollen inne.
Am Ende des Filmes laufen 200 Namen über die Leinwand – Team, ProtagonistInnen, weitere Menschen an den Drehorten – und alle haben etwas dazu beigetragen, dass der Film so wurde, wie wir ihn jetzt sehen können.
Das ist es, worüber ich sprechen möchte: Wie Ideen aus dem Reich der Imagination in die Realität kommen, und wie wir alle auf die eine oder andere Art dazu beitragen, ihnen eine bestimmte Form zu geben, sie ganz real werden zu lassen.
The air is full of ideas
Aber zurück zum Anfang, sehen wir uns den mystischen Prozess der Manifestation einmal genauer an. Alles beginnt mit einer Idee, aber woher kommt die? Ich möchte gerne eine Metapher von Thomas Hübl, einem meiner Lehrer, verwenden: Stellen wir uns vor, mitten in diesem Raum hängt eine Wolke in der Luft, genau über Ihnen. Diese Wolke ist voller potenzieller Ideen für die Zukunft. Aber erst wenn einer oder eine von uns eine ganz persönliche Beziehung zu einer dieser Ideen aufbaut, entsteht etwas, es formt sich ein besonderes Band.
Ich erinnere mich an solche Momente in meinem eigenen Leben, da ist es eine Mischung aus danach greifen und offen sein, um zu empfangen. In diesen Momenten werde ich selbst zum Gefäß, in dem die Idee landen können. Dies ist oft ein sehr intimer Moment, denn manchmal flirten wir auch nur so herum. Es gibt so viele Ideen um uns herum und wir denken vielleicht: “Dies wäre nett, und das wäre cool,…” Aber dann kommt der Moment, wo wir uns wirklich in eine Idee verlieben. Plötzlich wissen wir, “Das ist es! Das will ich in der Welt sehen.“ Etwas verändert sich. Plötzlich sind wir bereit, uns festzulegen und dafür auch ein Risiko einzugehen, Zeit, Energie und sogar Geld zu investieren, ohne zu wissen, ob je etwas daraus werden wird.
Respect the Source
Peter König, der viel mit FirmengründerInnen arbeitet, sagt dazu: „In dem Moment, wenn jemand als erster ein Risiko für die Verwirklichung einer Idee eingeht, wird er zur Quelle des Projektes.“ Dieser Mensch wird immer eine ganz spezielle, direkte Verbindung zu der möglichen Zukunft der Idee haben, und wenn man nach dieser ersten Person in ein Projekt einsteigt, ist es weise, das zu respektieren.
Ich möchte Ihnen ein Beispiel nennen: Ich habe einmal mit Nicole Scherg zusammengearbeitet, einer sehr lieben Kollegin, ebenfalls Filmemacherin. Sie schrieb gerade an dem Konzept ihres neuen Filmes “Das Leben ist keine Generalprobe”, ein Film über eine der letzten Schuhwerkstätten Österreichs und deren rebellischen Gründer Heini Staudinger. Ich habe also mit ihr an der Idee gearbeitet, das Konzept wurde super, die Finanzierung war geklärt, und ich erlernte sogar das Handwerk des Tontechnikers, um auch bei den Dreharbeiten dabei sein zu können.
Anfangs war das großartig, wir führten lange Gespräche, und ich konnte auch viel meiner eigenen Erfahrung im Bereich alternativer Ökonomie einbringen. Aber dann begann es plötzlich zu haken. Irgendwie konnte sie ihre eigene Verbindung zu dem Film nicht mehr so klar spüren, und wir erkannten, dass ich mich ein wenig zurücknehmen musste.
Nicole musste erst eine Zeit lang in dieser Leere des Nichtwissens verweilen können, damit sich ihre eigene Wahrheit zeigen konnte. Für mich war es anfangs schwer auszuhalten, nicht mehr mit eigenen Vorschlägen voran zu preschen. Es fühlte sich manchmal an wie inneres Yoga: Ich hatte etwas, das ich sagen wollte, sagte es aber in diesen speziellen Momenten nicht, um ihr den Raum zu geben, den sie brauchte, um selbst Klarheit zu erlangen.
Lange Zeit hatte ich geglaubt “co-creation” bedeutet, dass “wir alle etwas tun”, aber in diesen Momenten war das Beste, das ich zu dem Erfolg des Projektes beitragen konnte, einfach nur für sie da zu sein.
Aus dieser Erfahrung heraus beschloss ich, mir die Kraft eben dieser unterstützenden Qualitäten in Prozessen gemeinsamen Schaffens genauer anzuschauen.
Es gibt natürlich vielfältige Arten der Zusammenarbeit, aber ich möchte drei Archetypen unterstützender Funktionen hervorheben, die Ihnen vielleicht in Ihrem eigenen Leben bereits begegnet sind: die Muse, die Hebamme und die GärtnerInnen.
Meet the muses
Beginnen wir mit der Muse. Wahrscheinlich wissen wir alle, wie hilfreich es ist, über eine junge Idee reden zu können. Oft haben die frühen Gesprächen etwas Suchendes. Es ist einfach ein Vergnügen, mit jemandem zu sein, die/der all die ungefilterten Informationen empfangen kann, die/der kluge Fragen dazu stellt, und uns eventuell sogar mit der richtigen Dosis an Kritik herausfordert. Und vielleicht kennen Sie auch das, wenn Ihr Gegenüber selbst beginnt, sich für die Idee zu begeistern, wenn die Person vor Ihnen steht und Sie in ihrem Gesicht dieses “Ja, erzähl mir mehr! Ja, ich will das!” lesen können, dann beginnt die Energie erst so richtig zu fließen.
Es ist, als wäre das Sprechen der Springbrunnen, und das Zuhören das Becken, in das das Wasser plätschert – ohne das Zuhören hätte es sich bald ausgeplätschert. Das Zuhören “co-kreiert” das, was man in Worte fassen kann. Es klingt einfach, kann aber essentiell dafür sein, wie eine Idee Form annimmt. Eine gute Muse kann die Perlen deiner wirren Gedanken auflesen und sie dir als funkelnde Halskette zurück reichen.
Trust your Midwives
Wenn eine Idee landet und langsam weiter in uns hineinsinkt, trifft sie oft auf unsere tiefsten Ängste. Kennen Sie diesen Teil? Ich ganz sicher! In diesen Momenten brauchen wir eine Hebamme. Denn Hebammen wissen, dass etwas in uns nach seinem eigenen Plan heranwächst und dass es seinen Weg nach draußen finden wird. Sie wissen, dass es uns verändern wird, und sie wissen bereits im Vorhinein, dass der Moment kommen mag, an dem wir aufgeben wollen und sagen: “Okay, Schluss, ich lass es bleiben, ich tu das nicht!”
In diesen Momenten stehen sie hinter uns und erinnern uns daran zu atmen, unsere Kräfte zu sammeln, und ermutigen uns, es noch einmal zu versuchen. Und wenn wir es geschafft haben, dann werden sie mit uns feiern! Die Hebammen helfen uns durch die entscheidendsten Momente unseres Lebens.
Celebrate the Gardeners
Und dann gibt es noch eine wesentliche Funktion. Haben Sie je versucht, selbst Tomaten anzubauen? Bis man sie essen kann, brauchen sie viel Pflege und Aufmerksamkeit, fast täglich muss man sie gießen und sich um sie kümmern. Ohne die Hilfe der GärtnerInnen würden viele Ideen nie wirklich erblühen.
Ich schätze an den GärtnerInnen auch, dass sie sehr gut entscheiden können, was sie unterstützen wollen und was sie beiseitelassen. Wenn jemand mit diesen GärtnerInnen-Qualitäten sich mir in einem Projekt anschließt, und dann auch noch ein Gespür für meine kleine Pflanze hat, fühle ich mich immer geehrt.
Ich weiß, dass ich, auf mich allein gestellt, gar keine gute Gärtnerin bin, aber gemeinsam macht es viel mehr Spaß. Durch die liebevolle Fürsorge der GärtnerInnen kann sich eine Idee in der Welt verwurzeln und groß und stark werden, sodass sie schließlich Früchte trägt, die wiederum uns und andere nähren, und vielleicht bildet sie dann sogar Samen aus und verbreitet sich weiter.
Warum erzähle ich Ihnen das alles? Weil ich glaube, dass wir so die Zukunft kreieren können. Es gibt viel zu tun in Zeiten wie diesen – und nur gemeinsam können wir es schaffen.
Im Lateinischen gibt es die einfache Vorsilbe „co-”, die all das zusammenfasst. Wörtlich bedeutet sie “gemeinsam” oder “mit”. Das sieht man sehr gut in unserem täglichen Sprachgebrauch. So vieles, das wir lieben, und Teil dessen wir sind, beinhaltet dieses lateinische “co-”: co-creation, company, cooperative, community, computer, co-working-space, constructing, collective, commitment, coitus, concert, conclusion, confectionary, connection, consulting, co-housing, communication, contemplation, consciousness.
Besonders mag ich das englische Wort “consciousness”, Bewusstsein. Wörtlich bedeutet es so viel wie “miteinander wissen”. Ich glaube, dass wir viel Bewusstsein für all diese Prozesse der “Co-Kreation”, des gemeinsamen Erschaffens, brauchen, und dass wir ausnahmslos alle, die etwas beitragen – sei es als Musen, als Hebammen, oder als GärtnerInnen – dabei würdigen müssen.
Meist schauen wir vor allem auf diejenigen, die im Rampenlicht stehen. Aber wenn wir uns die Bedeutung jener Menschen mehr ins Bewusstsein holen, die hinter ihnen stehen, dann werden wir alle mehr erstrahlen.
Dies sind die Menschen, die hinter mir gestanden sind, und ein kleines bisschen von ihrer Energie und Weisheit ist auch durch diesen Vortrag geflossen. Lasst uns all jene feiern, die dazu beigetragen haben, dass wir hier beisammen sind! Und vergessen Sie nicht, Ihr Zuhören “co-kreiert” all das Gesagte auf der Bühne. Danke schön!