„Talking by Walking“
Ein Gesprächsdesign mit außergewöhnlichem Erlebnischarakter in Form einer Wanderung durch das Betriebsgelände erwartete uns Freigeister (Sonia Höllerer, Ingrid Ratheiser) bei Sonnentor in Sprögnitz im Waldviertel.
Im „Genussreich“ werden wir mit einer duftenden Tasse Tee von Marie Theres Chaloupek und Edith Gutmann herzlich begrüßt. In dieser Besucherlounge des weiträumigen Firmengeländes startet unser Gespräch. Danach werden wir durch das Sonnentor-Geschäft geführt. Anschließend weiter durch den Kräuterstreichelgarten, den Frei-Hof, den Permakulturgarten, vorbei an der „Leibspeis‘“ (Gasthaus 100% biologisch), den neuen Sonnentor Land-Lofts (Wohneinheiten auf Rädern – Schlafen im Kräutergarten), über den Bio-Bengelchen Weg zur betrieblichen Tagesbetreuungseinrichtung „Sonnenscheinchen“. Im Gehen, Staunen und Reden eröffnet sich uns die einzigartige BIO Lebens – wie Unternehmenskultur von Sonnentor.
Frau Gutmann, beim Betreten des „Sonnentor Genussreiches“ wird man von einer beruhigenden, entschleunigenden Atmosphäre empfangen. Die sehr schnelllebige Dynamik der Wirtschaftswelt scheint hier keinen Zutritt zu haben. Wie gelingt Ihnen dieser Spagat zwischen Entschleunigung und unternehmerischem „am Puls bleiben“?
Das ist im Grunde sehr einfach, wenn man dem Vorbild der Natur folgt und die darin enthaltene Weisheit in das unternehmerische Denken integriert. Schnelligkeit und Langsamkeit widersprechen sich einander nicht. Letztendlich vervollkommnen sich diese zwei Pole, vorausgesetzt, man sensibilisiert das Bewusstsein der Menschen dafür. Genau darauf liegt unser Fokus, menschlich wie auch betrieblich. In der Zeit, in der wir leben, hat die Wirtschaft großen Einfluss auf das Ganze. So zu tun, als wäre das nicht so, also mit permanentem Widerstand, kann man nicht wirklich mitgestalten. Unsere Basis bildet die innere Haltung zum Gemeinwohl. Ein sehr sensibler Bereich darin ist die Vorbildwirkung auf unsere Kinder. So achten wir sehr bewusst in unserer „Bio-Bengelchen Linie“ auf die Werte und Inhalte, die damit transportiert werden sollen. Kinder sind mit der Konsumwelt automatisch konfrontiert. Uns ist wichtig, dass wir die Kinder im Kontext Konsum auf einer anderen Ebene abholen. Wir begleiten sie mit Geschichten und Emotionen, in denen wir klare Inhalte vermitteln. Umweltbewusstsein, ein Bewusstsein für natürliche Lebensmittel und eine Form von Biodiversität – sprich Lebensvielfalt – werden hier kindgerecht vermittelt. Konsum gehört auf einer Ebene zu unserem Leben, unser Credo dazu ist, es ist so, wie es ist, wir machen mit, aber wir machen bewusst mit. Somit haben auch die Jüngsten die Chance, hochwertige Produkte kennen zu lernen. In der Produktentwicklung für Kinder findet im Ganzen wie auch im Detail ein sehr verantwortungsvolles Abwägen, unter Berücksichtigung der natürlichen Entwicklungsbedürfnisse, statt. Klar, der wirtschaftliche Aspekt ist das eine, wir haben damit eine vernünftige Art und Weise kreiert, wie man Kinder im Konsumverhalten abholen und sensibilisieren kann.
Das Wort Nachhaltigkeit ist ja gegenwärtig etwas abgenutzt und hat seiner wahren Bedeutung Tribut zollen müssen. Wie wirksam ist letztendlich unser Tun? Wie langfristig ist das Ganze? In welcher Dimension von Generationen wird gedacht? In welcher Form bewegt und begeistert es mich, damit ich es weitertrage? Das Bewahren unserer Lebensgrundlage, die auf der Ressource Boden gründet, die das Jahreskreisbewusstsein beinhaltet und auch das Zusammenspiel von Menschen, Tier und Natur repräsentiert, muss hier im Sprachgebrauch der Nachhaltigkeit oft einem kommerziellen, schnelllebigen Image dienen. In der Philosophie von Sonnentor geht es nicht um schnelllebiges Image, sondern um nachhaltige Reputation. Unser Tun und Wirken, unsere Produkte und die Produktion selbst sind unsere gelebte Überzeugung und auch die unserer Mitarbeiter.
Als Zukunftsbegleiterin des Unternehmens und dreifache Mutter von vierjährigen Zwillingen und einer achtjährigen Tochter sind für mich Zukunft und Kinder untrennbar miteinander verbunden. Das braucht ein Vorausschauen und ein Vorausdenken. Wir kommen jetzt gleich in unsere Tagesbetreuungseinrichtung Sonnenscheinchen. Da wir gerade ein Kind in der Eingewöhnungsphase haben und dieser Prozess ein sehr sensibler ist, haben wir entschieden, erst nach 10 Uhr, wenn die Mutter das Eingewöhnungskind wieder abgeholt hat, dort einzutreffen.
Dafür haben wir vollstes Verständnis. Wie kam es dazu, eine betriebliche Kinderbetreuungseinrichtung zu
konzipieren?
Unser Motto „Es geht auch anders“ zieht sich durch alle Bereiche und Themen. Wir haben 2013 eine Mitarbeiterbefragung gemacht. Was beschäftigt dich als Mitarbeiter? Was soll verbessert werden? Was sollte man noch bedenken? Ja, und Kinderbetreuung war im Ergebnis ein priorisiertes Thema. Meine Tochter war damals drei Jahre alt, somit war ich auch selber direkt mit der Thematik konfrontiert. Meine Stimme im Unternehmen stellt immer wieder die Frage: „Wo werden wir den Bedürfnissen und Ansprüchen der Kinder gerecht?“ Wir wandern jetzt gerade durch die Erlebnisbereiche, konzipiert für Kinder. Alle Sinne anzusprechen ist so wichtig für die Entwicklung. Sensibilisieren für die Natur und mit der Natur ist das große Thema bei uns. Unsere drei Bio-Bengelchen dienen hier im Geschichtenkontext als „Mentoren“, die begleiten, denen die Kinder auch immer wieder begegnen. Die Bengelchen gibt es mittlerweile schon über zehn Jahre.
Das Sonnenscheinchen wurde am 25. April im Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus mit dem Umweltzeichen ausgezeichnet?
Ja, wir haben als erste österreichische Tagesbetreuung die Zertifizierung absolviert und nehmen damit eine Vorreiterrolle ein. Das österreichische Umweltzeichen für Kindergärten gibt nicht nur Mindestforderungen vor, es ermutigt die Betreuungseinrichtungen, sich ihrer eigenen Stärken bewusst zu werden und im Sinne des lebenslangen Lernens immer weiter auszubauen. Es ist eine Auszeichnung für authentisches, umweltorientiertes Arbeiten, für begeistertes und konsequentes Tun. Die Philosophie vom Sonnenscheinchen entspricht ganz den Werten von Sonnentor. Wir möchten schon den Kleinen zeigen, wie wichtig es ist, in Kreisläufen zu denken, Zusammenhänge in der Natur zu erkennen, und dass weniger auch mehr bedeuten kann. Die Auszeichnung mit dem Umweltzeichen ist eine Bestätigung unserer langjährigen Arbeit. So wird die Bewusstseinsbildung für eine nachhaltige Lebensweise sichtbar und transparent. Es ist uns wichtig, dass in der Betreuung unserer Kleinsten ein wertschätzender Umgang mit unserer Umwelt und ihren Ressourcen gelebt wird. Wir hoffen, dass viele weitere Einrichtungen sich auch inspirieren lassen und dem Umweltzeichen ihre Türe öffnen.
Wir arbeiten nicht im herkömmlichen Sinn einer Programmpädagogik, sondern im situativen Tun. Nicht Angebote oder Wochenpläne, die wir sehr wohl auch haben, stehen im Vordergrund. Die Themen, die die Kinder beschäftigen, werden aufgenommen. Wenn beispielsweise ein Kind mit einem toten Marienkäfer kommt und dieses Ereignis beschäftigt das Kind auch, dann wird sich dem gewidmet, emotional wie mental. Es ist ein großes bespielbares Areal, ein wunderschöner Bereich, dem wir uns verantwortlich fühlen und somit auch für die individuellen Bedürfnissen Sorge tragen. Potential zum behutsamen Wachsen zeigt sich permanent. Kritisches Hinterfragen von Trends im pädagogischen Kontext wie auch generell ist ein Teil unserer gelebten Unternehmenskultur. Das authentische Feedback von Kindern ist ein sehr wertvoller und konstruktiver Parameter, mit dem wir unser Tun reflektieren können.
Derzeit sind 17 Kinder angemeldet. Die Betreuungszeiten sind sehr flexibel gestaltet, den familiären wie beruflichen Bedürfnissen Rechnung tragend. Die Gruppe ist alterstechnisch sehr homogen – von einem Jahr bis hin zum verpflichtenden Kindergartenjahr.
Je länger ich hier zu Besuch bin und mit Ihnen spreche, desto mehr begreife oder erkenne ich eine Art von ganzheitlicher Lebenspädagogik. Eine Ursprünglichkeit mit Sinn und Geschmack für das Wesentliche. Im stillen und achtsamen Beobachten tut sich eine holistische Dimension auf…
Das freut mich. Viele „Spielwiesen“ im Unternehmenskontext machen das alles letztendlich so rund und tief. Die Ideen sind das eine, dann kommt die Frage: „Wozu brauchen wir das?“… da braucht es innere und auch interne Überzeugung, wie auch Mut und eine gewisse Risikobereitschaft. Der Erlebnisbesucher, der zu uns kommt, lernt einfach ganzheitlich und wenn er will spezifisch, da wir ja auch ein Seminarprogramm anbieten.
Die Ressource, mit der gearbeitet wird, soll im Kreislauf genutzt werden. Kreislaufbewusstsein auf verschiedenen Ebenen wird gelebt und transportiert und kann somit verinnerlicht werden. Ich bin selber Pädagogin und habe meine Ausbildung auf dem zweiten Bildungsweg gemacht. Während dem Jusstudium war der Wunsch, etwas Praktisches zu machen, da. Ich habe den Lehrgang dann angehängt und in Wien am Kolleg für Elementarpädagogik Kenyongasse die Ausbildung abgeschlossen. Danach habe ich bis 2003 in einem Privatkindergarten gearbeitet, bis ich dann hier ins Waldviertel kam. Ich hätte mir nie gedacht, dass ich hier einmal einen Kindergarten eröffnen darf. Das Wirtschaftliche und das Pädagogische sind so verflochten … wie eben alles auf seine Art und Weise zusammenhängt. Die Arbeit der Pädagoginnen, alle Bedürfnisse von Kindern zwischen einem und sechs Jahren im Gruppenkontext abzudecken, ist eine Herausforderung, die gesellschaftlich oft zu wenig Anerkennung bekommt. Mütter von Zwillingen oder Drillingen werden gefragt: „Hast du Unterstützung?… Bei den Pädagoginnen wird nicht hingeschaut, da wird mehr oder weniger belächelt, wenn laut Betreuungsschlüssel ab dem achten Kind eine zweite Kraft notwendig ist.
Ein wesentlicher Part ist auch der lebendige Bezug der Kinder zur Arbeit ihrer Eltern. Womit verdienen Mama und Papa ihr Geld? Welche Produkte sind das? Die Unternehmenskultur fließt auch hier wieder im Kreislauf, kann also in Zusammenhängen erfahren werden. Der soziale Aspekt hat hier eine große Bedeutung, da sich unsere MitarbeiterInnen auch über die Kinder vernetzen. Das Verbindende über die Lebens- und Arbeitswelt auf Augenhöhe hat einen besonderen sozialen Nährwert, welcher von allen Beteiligten sehr geschätzt wird.
Eine halbe Stunde sind wir dann in das Gruppengeschehen der Kinder und Betreuerinnen integriert. „Heute sind Gewachsene auch dabei“, dieser spontane Kommentar eines Mädchens erfreut und berührt zutiefst.
Wieder im Genussreich angelangt:
Wie erleben Sie persönlich den Übergang Ihres Kindes aus dem Bewusstseinsfeld von Sonnentor – Sonnenscheinchen in das Feld der Regelschule?
Das steht und fällt mit den Menschen, den PädagogInnen, LehrerInnen, die in diesem Feld arbeiten. Egal, welche Schulform, lernen und lehren sind immer eine ganz persönliche Sache. Das Umfeld und die >> Rahmenbedingungen spielen natürlich auch eine wesentliche Rolle. Für uns persönlich war der Übergang stimmig, meine Tochter hatte den Vorteil, dass sie gemischt in zwei Kindergärten begleitet wurde. Sie besuchte temporär das Sonnenscheinchen und auch den öffentlichen Kindergarten der Gemeinde, somit war das nicht so ein harter Einschnitt oder Übergang.
Kinder sind keine Wählergruppe, werden aber oft im Dunstkreis der Erwachsenen mitgenommen. Dabei haben Kinder sehr wohl Entscheidungsfreiheiten und auch Einfluss auf Entscheidungen der Eltern, das ist uns oft gar nicht bewusst. Deswegen ist es so essentiell, dass man den Kindern in Wirtschaftsbetrieben einen wichtigen Stellenwert gibt. Die Lebens- und Wertehaltung ist eine große Aufgabe und Verantwortung eines Unternehmens, ich würde sagen, ein Bildungsauftrag. Ein Bildungsauftrag, der nicht schlagworttechnisch Werbung und Marketing dient, sondern ein Bildungsauftrag, der authentisch gelebt wird. Voraussetzung dafür sind integre Menschen, die über die Selbstbezogenheit hinaus denken und handeln.
Der Begriff Zukunftsbegleiterin, was beinhaltet der aus Ihrer Sicht?
Die Zukunft bei Sonnentor ist ein breites Feld, das viele Bereiche betrifft. Zum einen die Arbeit im Kontext Sonnenscheinchen, der betrieblichen Tagesbetreuungseinrichtung für unsere Kinder, zum anderen bin ich Teil der Geschäftsführung im Sinne unseres Familienunternehmens. Wir müssen uns immer Gedanken über die Zukunft machen, das heißt, wir müssen immer einen achtsamen Blick dafür bewahren, welche Auswirkungen unser unternehmerisches Handeln auf die nahe wie auch ferne Zukunft hat. Man kann zwar nicht festmachen, was in zehn Jahren sein wird, auch nicht, was morgen passiert. Es geht darum, dass man sich strategisch so ausrichtet und Entscheidungen trifft, um einer guten Zukunft gerecht zu werden. Heruntergebrochen auf die Praxis wirke ich bei zukunftsweisenden Projekten mit, z.B. auch beim konkreten Thema „Kinder und Jugend bei Sonnentor“ – ein neues Aufgabenfeld, dem ich mich verstärkt widmen werde. Hier geht es um die Frage: „Was bewegt ein Kind bei Sonnentor? Was bewegt Jugendliche bei Sonnentor? Was erwarten sich diese Zielgruppen? Wie können wir unsere Werte an Jugendliche vermitteln und transportieren? An welchem Punkt holen wir Kinder und Jugendliche ab? Welche Potentiale haben wir hier noch? Handwerk, Familie, Wertschätzung, Achtsamkeit – also Werte, die in unserer Unternehmenskultur selbstverständlich sind, sind nicht mehr für alle Kinder oder Jugendlichen primäre Werte. Hier gilt es für uns, behutsam aufzufangen und dem gemäß auch zu transportieren. Zukunft bedeutet auch, wie geht es weiter mit unseren Produkten? Wie geht es im Kontext Wachstum weiter? Was heißt das baulich für die Firma? Wie bewegen wir uns in der Gemeinde in fünf Jahren? Das beschäftigt ja auch die Menschen, die hier wohnen. Es geht darum, eine Zukunftsstrategie zu schärfen, damit unsere MitarbeiterInnen wissen, was sind die Ziele, um somit für sich überprüfen zu können, ob diese mit ihren eigenen kompatibel sind. Ohne Zukunftsbild, ohne Vision ist ein motiviertes Arbeiten nicht möglich. Wir versuchen das Gesamte auch aus der Vogelperspektive zu betrachten, ein Schrebergartendenken ist da wenig konstruktiv. Dieser Begriff Zukunftsbegleitung ist auch ein Novum, weil wir bei Sonnentor die klassischen Bereiche wie Einkauf, Lager, Verkauf, Produktentwicklung, Geschäftsführung betreffend einen neuen Weg gehen wollen. Was bedeutet es, Schätze-Sammler und Hüter, Kunden-Begeisterer, Produkt-Artisten sowie Werte-Entwickler und Vor-Turner betrieblich zu konstatieren? Als Zukunftsbegleiterin für Sonnentor bedeutet es auch, den Überblick zu wahren, um dort eingreifen zu können, wo es für unsere Strategie wichtig ist. Es ist ein Sich-Mitentwickeln und Mitwachsen, wie auch mitwirken und steuern und auch offen sein für neue Ideen. Viel Inspiration und wertvolle Begegnungen mit unseren Fans erlebe ich beim Verkaufen im Sonnentor-Geschäft in Zwettl. Da wächst die Freude.
Wie kamen Sie persönlich zu dieser wertvollen, ganzheitlichen Bewusstseinsdimension?
Durch die Lebensweise meines Mannes und durch das „drauf Einlassen“, neugierig sein und offen sein. Ich war vorher ein normaler „Consumer“. Seine Begeisterung, Authentizität und Leidenschaft zur Umwelt, zu Gesundheit und seine Erdigkeit haben mich fasziniert und infiziert. Das Thema Ganzheitlichkeit war mir auch schon vorher bewusst, aber diese Tiefe und gelebte Überzeugung konnten durch die Partnerschaft in mir wachsen und Begeisterung für den Weg von Sonnentor in mir wecken, vor allem durch Freude am sinnerfüllenden und selbstständigen Gestalten. Dafür bin ich ihm sehr dankbar!
Danke für das Gespräch!